Mount Michie Farm bis Vancouver (13.10. – 16.10.12)

Während Beat mit Jürgen, dem deutschen Metzger, das Schlachten der Schweine vorbereitet, bringt Eva uns zum Flughafen. Trotz winterlichen Bedingungen fällt uns der Abschied schwer. Aus dem Flugzeug erhaschen wir einen letzten Blick auf die verschneiten Berge bevor uns die Wolken verschlucken.

 

In Vancouver gelandet, fahren wir wie zwei „alte Füchse“ mit dem Skytrain in die Downtown um anschliessend nach einem kurzen „Taxi ride” das Hotel mitten im Zentrum zu erreichen. Die Umstellung ist gross, denn wir sind nach nur zwei Stunden Flug in einer komplett anderen Welt angekommen. Angenehme 15°C und herbstliche Bäume begrüssen uns. Menschenmassen ziehen durch die Strassen und schicke Autos fahren durch die Hochhauswildnis.

Die Stadt ist multikulturell: Chinesen (30% der Bevölkerung Vancouvers!) und Inder mischen sich unter die Europäer und Kanadier. Das vielfältige Angebot an asiatischen, griechischen, italienischen oder fastfood Restaurants macht die Wahl zur Qual. Endlos reihen sich elegante Boutiquen und Geschäfte aneinander. Hier werden keine Outdoor Artikel angeboten, vielmehr ziehen mich funkelnde Diamanten, glitzernder Strass, farbenfrohes Make-up, schicke Klamotten und der Duft der exklusiven Parfums in den Bann. Nur die Tatsache, dass mein Koffer bereits voll und übergewichtig ist, hält mich von einem Kaufrausch zurück. 

In der ersten Nacht im geheizten Hotelzimmer schlafen wir schlecht, die 22°C sind für uns noch ungewohnt warm. Das Anziehen am Morgen ist für mich aber ein wahrer Genuss: Endlich wieder in die Kleider schlüpfen ohne sie vorher im Bett aufzuwärmen.

Vancouver entstand wegen den Einwanderern des Fraser-Canyon Goldrausches in den Jahren 1860 und entwickelte sich innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer Metropole. Ihren Namen bekam sie vom britischen Kapitän George Vancouver, der diese Region Ende des 18. Jh erforsche. Im Februar 2010 fanden hier die 21. Olympischen Winterspiele statt.

Das Klima ist ungewöhnlich mild und nur an wenigen Tagen fallen die Temperaturen unter die Nullgradgrenze. In Vancouver regnet es im Durchschnitt an 166 Tagen im Jahr. Die subtropische Windströmung, „Pineapple Express“ genannt, bringt zwischen November und März warme und feuchte Luft aus Hawaii und lässt es oft viele Tage hintereinander regnen. Wir erleben es hautnah und stapfen einmal mehr durch eine verregnete Stadt.

Wir lassen uns die Freude aber nicht nehmen und spazieren der Seawall (Strandpromenade) im Standley Park entlang. Dieser Park ist mit über 400 Hektaren der grösste Stadtpark Kanadas. Benannt wurde er nach dem Generalgouverneur Frederick Arthur Stanley welcher auch dem Stanley-Cup seinen Namen gab. Jährlich besuchen etwa acht Millionen Einheimische und Touristen den Park und geniessen das 200 Kilometer lange Netz von Spazierwegen. Die Riesenbäume des gemässigten Regenwaldes faszinieren uns genauso wie die Totempfahle, welche eine Art Wappen der Indianer sind.

Im Park gibt es auch sonst viel zu sehen. Der Regen hält die Leute nicht ab zu joggen oder zu spazieren, wenn nötig auch barfuss. Dennoch scheint René’s gut gemeinter „Regenschutz“ die alte Dame skeptisch zu stimmen. Wir treffen auf ein Denkmal für Harry Jerome, welcher der zweite 10,0-Sekunden-Sprinter nach dem Deutschen Armin Hary war. Das „girl in wetsuit“ (Mädchen im Taucheranzug) erinnert an die „kleine Meerjungfrau“ von Kopenhagen. Wir lernen, dass die Skulptur modernisiert wurde, weil Kopenhagen eine Nachbildung nicht erlaubt hat.

Das Highlight im Stanley Park ist aber ganz sicher das Vancouver Aquarium. Es ist das grösste Aquarium und meeresbiologische Forschungszentrum in Kanada und eine Non-Profit-Organisation. 70’000 Tiere sollen hier leben und wir beobachten gebannt die Quallen, Haifische, Frösche oder Belugas. Im integrierten Kino erleben wir die Lachswanderung vierdimensional: Die Spezialbrillen versetzten uns mitten ins Geschehen und die technisch überarbeiteten Stühle lassen uns Wasser ins Gesicht spritzen, die Krallen eines Adlers im Rücken spüren und die Stacheln eines Seeigels in die Waden stechen.

Wir schlendern durch die Gastown, das älteste Stadtviertel von Vancouver. Seinen Namen erhielt es vom britischen Dampfschiffkapitän John „Gassy Jack“ Deighton, welcher hier 1867 das erste Lokal eröffnete. Die Gastown Dampfuhr, die weltweit erste Uhr dieser Art, ist wohl die bekannteste Sehenswürdigkeit in Vancouver. Sie wird mit Dampfkraft betrieben und die fünf Dampfpfeifen spielen zu jeder Viertelstunde. Um ein Bild ohne Touristen knipsen zu können, warten wir geschlagene (gepfiffene) 16 Minuten.

Wir flanieren weiter bis zur „China Town“. Hier wollen wir den Dr. Sun-Yat Sen Garten besuchen. Rechtzeitig zur Weltausstellung Expo 86 wurde er eröffnet und er ist der einzige chinesische Garten ausserhalb Chinas der nach klassischem Vorbild gebaut wurde. Benannt wurde er nach dem ersten Präsidenten der chinesischen Republik. Aufgewühlt, nachdem wir schlafende Obdachlose, in Abfalleimern Wühlende und bei der Gassenküche Anstehende angetroffen haben, tut mir dieser friedliche Garten gut. Die Pflanzen, bizarren Steine und idyllischen Teiche sind nach Plan angelegt und wir entdecken sogar Kois. (@Heini, wir finden, auch diese Exemplare hätten Diät nötig.)

Einen Jasmintee trinkend können wir den Mönchen bei der filigranen Arbeit, ein Sandmandala zu streuen, zusehen.

Vancouver und seine Menschen sind uns sympathisch und wir empfinden sie als so „kanadisch“ wie überall im Land. Ihre offene Art lässt uns immer wieder mit ihnen ins Gespräch kommen und wir stellen auch hier fest, wie hilfsbereit sie sind: Bei der Bahnstation nach einer Toilette suchend, schickt mich der Sicherheitsbeamte zur „Seabus-Station“. Hier begleitet mich der Ticketkontrolleur zum „washroom“. Erst auf dem Rückweg lese ich überall den Hinweis „no public washroom“ (Keine öffentliche Toilette). Keiner hat mich darauf aufmerksam gemacht.

Der letzte Tag in der Stadt schenkt uns Sonnenschein. Heute können wir bestätigen, was viele Schweizer zu sagen pflegen: Vancouver erinnert an die Schweiz. Die Stadt umgeben von Wasser und die Berge im Hintergrund, da kommt uns spontan Thun in den Sinn.

Wir schlendern nochmals durch die Strassen bis zur Granville Island. Dies ist eine kleine Halbinsel und sie liegt im Meeresarm False Creek. Um Land zu gewinnen wurde 1915 die Rinne zwischen zwei flachen Sandbänken aufgefüllt. Heute ist die Insel ein Einkaufs- und Kulturviertel. Wir wählen den Weg über die Granville Bridge. Endlos zieht sich die Strasse über die Insel hinweg und wir glauben unser Ziel nicht mehr zu erreichen. Die Mühe lohnt sich aber und wir geniessen den „Public Market“ mit dem knackigen Gemüse, dem frischen Lachs und vielen anderen Leckereien. Wir sehen, dass es einen einfacheren Weg zurück gibt und wir fahren mit dem Aqua Bus über den False Creek. Für rund zwei Minuten Fahrt auf dem Wasserweg bezahlen wir satte 6.50 Dollar. Wir finden, dass René vom 7.50 Dollar Guiness Bier länger was davon hat. Im Irischen Pub löschen wir unseren Durst und fiebern zusammen mit den Fussballfans mit. Das Kanadische Team verliert das WM-Qualifikationsspiel gegen Honduras 8:1. Die Kanadier sehen das nicht so eng und jubeln schlussendlich auch bei jedem Tor der Gegner. Sie sind einfach sympathisch, die Kanadier.

Jetzt machen wir uns aber auf den Weg zum Bahnhof. Heute Abend fährt unser Zug los, der uns in dreieinhalb Tagen nach Toronto bringt.

 

2 Gedanken zu „Mount Michie Farm bis Vancouver (13.10. – 16.10.12)

  1. Hallo
    Ist dies wirklich möglich dass dieses halbe Jahr schon vorbei ist.? Es war für uns immer spannend zu lesen was ihr alles erlebt hat, nun wünschen wir noch eine gute Fahrt mit dem Zug und grüssen Euch (ev. das letzte mal über diese Seite).
    M. u R.

  2. Hola,meine Lieben so schnell vergeht die Zeit.,aber es ist auch auch schön wenn Ihr wieder zurück seid.In Roda freuen sich auf jedenfall einige Freunde.Monicue vorallem freut sich sicher auf ihr Bett..Hoffentlich bis bald .
    Liebe Grüsse Roda

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