Carmacks bis Whitehorse (22.09. – 01.10.12)

Der sonnige und warme Indian Summer hat die Yukoner für den verregneten Sommer entschädigt. Gleichwohl verändert sich die Landschaft allmählich. Der kalte Wind wird stärker und hat die Blätter von den Bäumen gefegt. Die Moskitos sind längst weg und den lästigen Black Fly (Kleine Schwarzfliegen), welche ganze Hautstückchen raus beissen, ist es endlich auch zu kalt.

Auf den Strassen ist es einsamer geworden. Die amerikanischen Rentner sind längst auf dem Weg in den Süden. Die meisten leben das ganze Jahr in ihren lastwagengrossen Wohnmobilen. Überwintern an der Wärme ist „in“ und viele steuern nach Florida oder nach Arizona. Hier gibt es Camps in denen sich Gleichgesinnte treffen. Sie parken dicht bei einander, tauschen ihre Sommererlebnisse aus, besuchen Kurse oder lassen sich durch Animatoren unterhalten. Im Frühling geht jeder wieder seinen eigenen Weg, viele in den Norden nach Alaska.

Auch die europäischen Touristen sind Ende September mit dem letzten Condor-Direktflug nach Frankfurt abgereist. Wir mit unserem Camper und dem Kanu haben jetzt schon Seltenheitswert.

Veränderungen sind auch in der Stadt sichtbar. Öffnungszeiten wurden verkürzt, einzelne Geschäfte und Restaurants sind „closed for the season“ (Saisonhalber geschlossen). Das Angebot in den Verkaufsläden wurde komplett umgestellt. Wo sich kürzlich noch Campingausrüstung und Fischereiartikel türmten, werden jetzt Halloween-Kostüme, dicke Winterkleider und Schlittschuhe angeboten. Wir hören, dass Anfang September, nach dem Labour Day, die meisten Yukoner ihre Campingutensilien verstauen. Die Touristen-Saison im Yukon ist kurz, innerhalb von zirka vier Monaten muss das Geld für’s ganze Jahr verdient werden, was selten gelingt. Industrie gibt es kaum, ausser den Minen, aber die gehören grösstenteils den Chinesen.

Finanzieren kann sich der Yukon nicht selbst und ist aus diesem Grund ein Territory. Die kanadischen Territories erhalten von den restlichen Provinzen finanzielle Unterstützung.

Unterwegs treffen wir nur noch selten auf Wildtiere. Die Bären haben sich zurückgezogen und ihre Suche gilt den letzten Beeren die ihnen noch den Bauch vor dem Winterschlaf füllen sollen. Die Elch-Männer seien jetzt grösstenteils in den Tiefkühlern, wird uns erzählt. Die Jagdsaison hat begonnen und das Wochenende vom 21. September sei das wichtigste für die Elch-Jagd. Gemäss Aussage eines „Hunters“ (Jäger) sind die Elch-Männer an diesem Wochenende besonders wild auf Brautschau. Sie lassen sich mit allem anlocken, sogar mit technischen Hilfsmitteln, deren Weibchen-Rufe mich aber eher an Tarzan erinnern. Wer tatsächlich einen Elch erwischt (Elch-Küche dürfen nicht geschossen werden) hat für ein Jahr ausgesorgt. Die riesigen Kolosse bringen zwischen 200 und 300 Kilo Frischfleisch in die Truhe.

Auch Grizzly’s sollen durch die Elchrufe angelockt werden, erzählt uns der Jäger. Auf meine Frage, was er von Bärspray hält, bekomme ich die Antwort: “Bärspray hilft am besten, wenn er an ein Gewehr gebunden wird.”

Wir geniessen es, fast alleine zu sein und wir erkunden nun auch die Plätze, die im Sommer „very busy“ (viel besucht) sind und wir deshalb lieber meiden. Wo im Sommer Motoren von Booten, ATV’s (Geländefahrzeuge) und Generatoren surren, Kinder schreien und Hunde bellen, geniessen wir jetzt die Geräuschkulisse der besonderen Art: Das Rauschen des Windes in den Bäumen, das Plätschern der Wellen, das Knistern des Feuers, das Krähen der Raben, das „Schimpfen“ der Squirrel’s (Eichhörnchen) oder die Schreie des Loon (Entenart). Seine Rufe erinnern stark an Wolfsgeheul. Der Loon ist für die Kanadier eine wichtige Kreatur, die sogar auf die 1-Dollar-Münze graviert wurde und dem Geldstück den Namen „Loonie“ gab. Um es einfacher zu halten, heisst die 2-Dollar-Münze simpel „Toonie“. Für Besucher, die zum ersten Mal in Kanada sind, kann damit ziemlich Verwirrung gestiftet werden.

Die Zeit der Mitternachtssonne ist vorbei, die Nächte werden länger und dunkler. Nur der Vollmond bringt Licht in den finsteren Wald. Jetzt ist die Zeit der Nordlichter gekommen, der Aurora Borealis. Dieses mystische Licht hatte bei den Ureinwohnern eine tiefe spirituelle Bedeutung. Die einen glaubten, dass sie grossartige Ereignisse vorhersagen, andere glaubten an Drachen.

Heute weiss man, dass das Polarlicht nur um den nördlichen und südlichen magnetischen Pol auftritt. Bei Stürmen auf der Sonnenoberfläche entstehen stromgeladene Sonnenwinde. Treffen diese auf die obere Atmosphäre der Erde und folgen deren Magnetfeld, ist das Polarlicht zu sehen. Am häufigsten ist die Aurora grün, gefolgt von rot. Selten sind die Farben blau und violett. In einer klaren Nacht ist dieses wunderschöne Schauspiel um Mitternacht oder im frühen Morgen zu bewundern. Wir haben die Lichter bis jetzt nur zufällig gesehen, zu oft haben wir sie schon verschlafen.

Die klaren Nächte sind frostig und wir „hausen“ tagsüber bei Temperaturen um 5-10°C. Erstaunlich, wie sich ein Körper anpassen kann. Wir verbrennen jetzt viel mehr Kalorien und obschon wir einen Bärenhunger haben, können wir bereits den Gürtel ein Loch enger schnallen. Gewisse Artikel in unserem Camper sind da nicht ganz so widerstandsfähig: Olivenöl verdickt zu einem Fettklumpen, Abwaschmittel wird enorm dickflüssig. Zahnpasta lässt sich nur noch schwer aus der Tube drücken, während andere Cremes gar nicht mehr zu gebrauchen sind. Kühles Bier für René kommt nicht mehr aus dem Kühlschrank, ist zu warm da drin und mein Laptop und sein Ladegerät werden bei diesen Temperaturen auch nicht mehr „warm für einander“. In der Tat kommt jetzt auch die Heizung zum Zug, aber eigentlich nur um zu verhindern, dass die Wasserleitungen nicht gefrieren und platzen.

Trotz der Schönheit in der einsamen Wildnis spüren wir, dass es doch langsam Zeit wird, das Camperleben einzustellen.

Unsere letzten Tage im Busch sind schon stark mit Gedanken ans Packen geprägt. Während ich unsere Kleider ordne und entscheide was hier bleibt, wir den Menüplan abarbeiten um die Lebensmittel aufzubrauchen, hat René bereits sein Angler-Equipment aufgeräumt und sortiert. Die ersten Reinigungsarbeiten am Camper sind erledigt. Nach drei Wochen ohne Regen bewirkt mein „Fensterputz-Ritual“ tatsächlich, dass es in der darauffolgenden Nacht wie aus Kübeln giesst. Trotzdem wird unser Camper wieder zum „Glanzstück“.

Eine letzte Kanu-Fahrt auf dem Tarfu-Lake wird leider vom starken Wind verhindert. Mit Wehmut bauen wir es auseinander, reinigen und verstauen es im Beutel. Ein Falt-Kanu scheint hier noch nicht verbreitet zu sein, denn immer wieder kamen wir deswegen mit staunenden Kanadiern ins Gespräch. Sie ist halt „made in Norway“, unsere Ally.

Unser privates „Thanksgiving“ (Erntedankfest) feiern wir zwar gut eine Woche zu früh, trotzdem ernte ich die letzten Kräuter aus meinem Garten mit Dankbarkeit und bereite uns damit ein Festessen zu. Fünf Monate wurden wir mit Frische und Geschmack bereichert und ich nehme das Angebot von Eva, die Pflanzen auf der Farm zu Überwintern, sehr gerne an.

Wir geniessen nochmals die Wärme und die friedliche Stimmung am Lagerfeuer und lassen dabei die schönen Monate im Camper Revue passieren. Eine weitere schöne Zeit unserer Reise geht damit zu Ende. Die Nacht auf den 1. Oktober vereinfacht uns den Abschied vom Busch: Wir erwachen Morgens bei 0°C im Camper, aussen mindestens -5°C!

 

 

3 Gedanken zu „Carmacks bis Whitehorse (22.09. – 01.10.12)

  1. Hoi zäme,
    So jetz isch Euchi schöni Zyt im Yukon düre. Mit vüu i drück u erläbniss chöit Dir Euch ufe wäg i Oste mache. Mir sie sicher as Dir ou dört vüu schöns wärtet erläbe.Mir wünsche Euch no e guete rest u freue üs weh mir nang gli wieder wärde gseh.Heit nech witer sorg u e guete Heiflug de.

    Liebi Gruess Barbara,Marcel mitem Fabio

  2. Hoi zäme,

    mir danke öich ganz härzlech für öii super Brichte u Fotos. Äs isch für üs gäng spannend z’läse wo u was dir ärläbit. Bim letscht Bricht si viu Erinnerige wach worde…Mir si no grad nid am plane, aber mir gö wider i Yukon. Gniessit no der Räscht u chömit gut hei!

    Ä liebe Gruess Ursula u Pesche Künzli

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