Mount Michie Farm – Carmacks (04.09. – 22.09.12)

Nach zwei Tagen Genuss der Zivilisation auf der Mount Michie Farm sind wir erholt vom Kanuabenteuer und „on the road again“ (wieder auf der Strasse). Wir wollen noch ein bisschen in den Norden, nahe an die Grenze zu Alaska. Kurz nach Abfahrt gönnen wir uns ein Snickers, es wird ein teures, denn ein Stück von René’s Zahn bleibt daran kleben. Wir stoppen in Whitehorse und können tatsächlich noch am selben Tag zur Untersuchung in die Zahnklinik. Für die Reparatur bekommen wir aber erst tags darauf einen Termin.

Wir schlendern noch ein bisschen der Main Street entlang und treffen zufällig auf Sylke und Frank. Die beiden haben wir vor Jahren durch die Camper Vermietung kennen gelernt. Heute sind sie selbständig und betreiben nebst Mount Lorne B&B (Bed & Breakfast) auch die Klondike RV Motorhome Vermietung. Spontan laden sie uns zum Abendessen ein und wir hören nebst RV-Vermietungs-Anekdoten, dass die beiden einen mitarbeitenden Geschäftspartner suchen. (Interessenten können sich bei uns oder direkt bei www.klondikerv.com melden)

Die hübsche Frau Dr. Louafi und ihre Gehilfin, lassen die Schmerzen schnell vergessen und eine Stunde später verlassen wir die Zahnklinik mit einer neuen „Yukon Filling“. Jetzt machen wir uns aber auf, um den Spuren des Klondike Goldrausches zu folgen.

Über 100’000 Menschen sind 1887 dem Lockruf des Goldes gefolgt und hofften ihr Glück in Dawson City zu finden. Wir finden das Gold am Strassenrand, die bereits leuchtend gelb gefärbten Bäume berauschen uns. Die „fünfte“ Jahreszeit in Kanada, der Indian Summer, schenkt dem Wald für rund drei Wochen die kräftigsten Farben. Eine Schönheit, die verzaubert.

1886 fanden George Washington Carmack uns seine indianischen Verwandten Skookum Jim und Tagish Charlie am Bonanza Creek, in der Nähe von Dawson City, Goldklumpen. Die Information erreichte die Aussenwelt aber erst ein Jahr später und löste dennoch den grössten Goldrausch der kanadischen Geschichte aus. Mit Schiffen reisten die Goldfiebrigen nach Skagway um anschliessend den schneebedeckten Chilkoot Pass zu überqueren. Die eisige Kälte und das Schleppen der tonnenschweren Ausrüstung zwangen viele in den Tod oder zum Aufgeben.

Auch wir erleben in diesen Tagen wie schnell es im Yukon kalt werden kann. Die Sonne versteckt sich hinter grauen Wolken und die Temperaturen steigen tagsüber noch knapp über 5°C. Nachts sinken sie bis unter den Gefrierpunkt. Die Wärmeflasche und die dicken Socken haben wieder Hochsaison.

Am Lake Bennett warteten die Gold Pioniere auf den tauenden Frühling um mit den selbstgezimmerten Flossen den See zu überqueren und den Yukon River zu erreichen. Der Name Yukon bedeutet „grosser Fluss“ und war für die Goldsucher der gefährlichste Teil der langen Reise. In der Nähe von Whitehorse musste zum einen der Miles Canyon bezwungen werden, welcher heute, durch den Staudamm, harmlos geworden ist.

Kurz nach Carmacks erreichten die Flosse die Five Finger Rapids, fünf Felsbrocken, die an fünf Finger erinnern und tödliche Stromschnellen in sich bergen. Viele Hoffnungsvolle verloren hier ihr Leben.

Wir fahren dem Klondike Highway entlang und erreichen die Ortschaft Carmacks auf dem sicheren Landweg. Heute leben hier 480 Menschen, davon mehrheitlich Natives (Ureinwohner). Der umgebaute „General Store“ (Einkaufsladen) bietet ein grosszügiges Sortiment an und ist, gemäss Öffnungszeiten, weltweit wohl der einzige Laden, der acht Tage in der Woche geöffnet ist.

Nicht die Hälfte der Goldsucher erreichten nach zehnmonatiger beschwerlicher Reise die Stadt Dawson City. Trotzdem kamen die meisten zu spät, die besten „Claims“ (Schürfgebiete) waren bereits vergeben. Die Glücklichen, die einen Claim bekommen hatten, suchten mühselig nach dem glänzenden Metall. Der „Permafrost“ (Dauerfrostboden) musste mit Holzfeuer aufgetaut werden, ehe die Erde abgetragen und im fliessenden Wasser Gold gewaschen werden konnte. Nach und nach verkauften die einzelnen Goldgräber ihre Claims an grosse Gesellschaften und die „Dredges“ (schwimmende Schaufelbagger) ersetzten die Pickel und Waschpfannen. Stein um Stein wurde umgedreht und das ganze Tal umgegraben. Einer Schätzung zu folge sei hier Gold im damaligen Wert von mehr als 500 Millionen Dollar gefördert worden und noch heute gibt es mehrere Minen die in Betrieb sind. Die Steinhügel von damals prägen noch immer die karge Landschaft.

Bei eisiger Kälte und mit den ersten Schneeflocken erreichen wir Dawson City, die nördlichste Stadt im Yukon. Von hier ist es nur noch ein Katzensprung bis Alaska. Auf dem Höhepunkt des Goldrausches lebten hier 30’000 Menschen, heute beherbergt die zweitgrösste Stadt noch rund 1’800 Personen. Temperaturen von minus 40°C sind hier keine Seltenheit. Uns reichen die paar Grad unter Null und wir ziehen uns für die Stadtbesichtigung Handschuhe und Mützen über.

Die Stadt ist auf Dauerfrostboden gebaut, darum gibt es hier schiefe Gebäude und keine geteerten Strassen. Bei Regen sind die hölzernen Gehsteige für Fussgänger ein Segen und vor vielen öffentlichen Gebäuden wird höflich gebeten, beim Eintreten die Schuhe auszuziehen. Wir treten ins Geschäft Wild & Wooly ein und treffen tatsächlich auf Romi. Vor mehr als 30 Jahren ist die Schweizerin ausgewandert und hat sich in Dawson City niedergelassen. Während der Zeit hat sie sich aus Büchern das Jagen, Goldschmieden und Malen beigebracht. Bei unserem letzten Besuch vor ein paar Jahren stellte sich heraus, dass Romi’s Schwester in unserer Nachbargemeinde lebt. Wir haben damals Schmuck und Grüsse nach Hause gebracht. Romi erkennt uns wieder und wir trinken zusammen ein Glas Wein und hören ihren Geschichten zu. Ihre Bilder und Fotografien faszinieren uns, die nördliche Einsamkeit und die Liebe zur Natur, hat sie ihr Talent entdecken lassen.

Wir schlendern weiter durch die Stadt, deren Holzfassaden noch heute an den Wilden Westen erinnern. Nach einem leckeren Abendessen bei „Klondike Kate’s“, sie war eine der Frauen, die wusste wie den Männern das Gold aus der Tasche zu ziehen war, wärmen wir uns in der ältesten und einzigen Spielhalle Kanadas auf, bei Diamond Tooth Gerties. An diesem Wochenende findet ein Poker-Turnier statt und die Can-Can-Show mit den hübschen Girls fällt leider aus. Wir schauen den coolen Spielern direkt ins Pokerface, fiebern mit und amüsieren uns bestens. Nur Einzelne versuchen ihr Glück an den Automaten oder bei Black Jack. So auch wir, doch leider wird nichts aus dem grossen Gewinn.

Der nächste Morgen bringt uns endlich einen klareren Himmel, doch die Kälte bleibt. Wir fahren zum „Dome“, dem Hügel gleich neben an und gönnen uns eine grandiose Aussicht auf Dawson City, die Goldfelder und über den Yukon River. Hier kann, 322 Kilometer unterhalb des Polarkreises, am 21. Juni die Mitternachtssonne beobachtet werden, aber auch heute, ist der Ausblick atemberaubend.

Nach vier Jahren war der Goldrausch vorbei, die Glückssucher zogen weiter und die Stadt schrumpfte auf 5’000 Seelen. Das leuchtende Gold am Strassenrand ist durch die Kälte ermattet und auch wir ziehen wieder los. Das schöne Wetter lässt uns einen kurzen Teil des Dempster Highways fahren. Diese Schotterstrasse ist 736 Kilometer lang und führt über den Polarkreis nach Inuvik, die Stadt der Eskimos (Inuit) in den Northwest Territories. Diese Strasse gilt landschaftlich als Traumstrasse und auch wir sind fasziniert von den bereits schneebedeckten Bergen. Nach 80 Kilometern, kurz vor dem Pass bei den Tombstone Mountains kehren wir um. Der Pass ist schneebedeckt, die Strasse vereist und der Campingplatz geschlossen. Beim Wendemanöver kreuzt sich unser Weg erneut mit Ruth und Hans, deren Bekanntschaft wir bereits in Dawson City gemacht haben. Hier, am Ende der Welt entsteht das wohl einzigartigste Bild: Die Knüsse mit Familie Kneuss.

Gemeinsam fahren wir Richtung Süden zum Moose Creek und verbringen einen gemütlichen Abend unter Schweizern.

Unser nächster Ausflug führt dem Silver Trail entlang bis nach Keno City. Die enormen Silbervorräte liessen die Stadt 1920 boomen. Die Minen sind jetzt grösstenteils geschlossen und in der Stadt leben weniger als 30 Personen. Eigentlich wollten wir den Ausblick auf dem Keno Hill (1849m) geniessen. Dieser Weg ist aber auch vereist, oben liege Schnee und die dicken Schneewolken am Himmel halten uns davon ab. Das Museum ist bereits „closed for the season“ (Saisonhalber geschlossen). Aber die „best pizza in town“ lassen wir uns nicht nehmen. Die Pizzas des gebürtigen Italieners Mike sind bis nach Whitehorse bekannt und sie schmecken köstlich.

Zu dieser Jahreszeit sind nur noch wenig Touristen unterwegs. Die meisten sind Schweizer oder Deutsche die den Indian Summer erleben wollen. Kurz vor Mayo treffen wir Ilona, Udo, Manuela und Rolf. Zwei deutsche Ehepaare, die wir auch bereits in Dawson City in der Laundry kennen gelernt haben. Wir verabreden uns an einem unserer Lieblingsplätze, dem Ethel Lake. Tatsächlich schaffen sie die holprigen 24 Kilometer mit dem Wohnmobil und wir verbringen zwei gemütliche Tage zusammen beim Erlebnisse erzählen ums Lagerfeuer oder beim Angeln. Weil wir ähnliche Reiseziele haben, wir die schönen Plätze hier kennen und sie den Jägermeister (Schnaps) dabei haben, parken wir unsere Fahrzeuge auch am Little Salmon Lake nebeneinander und führen die Tradition „Schnäpsle am Lagerfeuer“, eingekuschelt in „Kuscheldecken“ noch für eine Nacht weiter.

Wir bleiben noch am Campbell Highway während die „Alemannen“ weiterfahren. Die Witterung ist wieder nach unserem Geschmack, die Wolken haben sich verzogen und die Sonne lässt das Thermometer bis 15°C steigen. Der Indian Summer zeigt sich in der vollsten Pracht und die zutraulichen „Whisky Jacks“ fressen uns aus der Hand.

Vier Tage bleiben wir an unserem Lieblingssee, dem Frenchman Lake. Es ist bereits dunkel und ein ohrenbetäubender Lärm dringt durch die Stille. Kurz darauf fährt ein laut heulender Jeep vor und ein bärtiger junger Mann steigt aus. Er strahlt und erzählt uns mit Akzent, dass er sich freut ein Frenchman zu sein der am Frenchman Lake übernachten werde. Er stammt aus dem französischen Osten Kanadas und ist seit 10 Jahren unterwegs. Ein bisschen arbeiten, ein bisschen reisen, gerade das, was ihm das Leben eben bietet. Sein Jeep ist sein ein und alles und ein treues(r) Gefährt(e). Wir schauen uns das Ding im Scheinwerferlicht genauer an: Beide Seiten völlig von den Ästen zerkratzt, Beifahrerseite total zerbeult, Rückspiegel nicht mehr original und der Auspuff in zwei Teilen hochgebunden und die Verbindung mit einem alten Schlauch gebastelt. Die Ladefläche ist komplett überfüllt mit Werkzeugen, Kanistern, Reserverädern und allem was man auf Fahrten durch die dichteste Wildnis eben so braucht. Lebensmittel sehen wir keine, es komme halt vor, dass er ein, zwei Tage nichts esse. Im Schlafsack versucht er hinter dem Steuerrad einigermassen bequem zu schlafen. Wir hören ihn in der Nacht mehrmals hupen, also doch ein bisschen eng. Pascal ist wirklich ein komischer Kauz und weiss uns am Lagerfeuer unglaubliche und unheimliche Geschichten zu erzählen. Wir haben selten so gelacht. Früh morgens rumpelt er schon von dannen und wir sind nicht ganz sicher, ob dieser verrückte Kerl nun echt war oder wir alles nur geträumt haben. Jedenfalls haben wir tagsüber noch oft an ihn gedacht.

Am 20. September erleben wir einmal mehr, wie schnell sich das Wetter und die Temperaturen hier ändern. Gestern noch bei knapp fünf Grad aufgestanden, sitzen wir heute im T-Shirt draussen bei 25°C am Schatten. Wir geniessen die Wärme, die Stille und die schönen Abendstimmungen, mit dem Bewusstsein, dass unsere Tage in der Wildnis langsam gezählt sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3 Gedanken zu „Mount Michie Farm – Carmacks (04.09. – 22.09.12)

  1. Hallo ihr Goldgräber, vielleicht bleibt von diesem Gold etwas Staub an Euch hängen und ihr kommt als glitzernde Freunde zurück. 🙂
    Ja wieder gespannt haben wir gewartet auf den nächsten Bericht. So wie es tönt geht es Euch recht gut. (Auch mit Zwischenfall Zahn)
    Bei uns zieht auch langsam etwas Herbst übers Land, aber es ist immer noch in den bequemen Temperaturen.
    Wunderbare Erlebnisse die Ihr uns überbringt, geniesst noch die letzten Wochen weiterhin unfallfrei und gesund . lb Grüsse R. & M.

  2. Hallo ihr Lieben
    es ist wie im Märchen , diese Landschaften,Kulturen und Begegnungen.Das kann einem niemand mehr wegnehmen all diese Erinnerungen und Erfahrungen,
    Wir freuen uns für euch beide dass alles so gut klappt.
    Zuhause im Teich alles im grünen Bereich.
    Liebe Grüsse von H. u. B

  3. Hallo dir zwe Abentöirer… :-))
    äs isch so amüsant und ufregend, Dini Brichte zläse, Monique! Du lasch eim teilha a Öne wunderbare, gfährleche u luschtige Ärläbnis; nimmsch eim mit uf Öii Reis. Di glungene Bieuder berühre u gäbe eim no meh ds Gfüheu, mi sig säuber mit derby. Merci vieu mau!!!
    Geschter isch Michael-Day gsy – ha Cakes bache u Dir u am René o paari parat gmacht. I bi i Gedanke bi Öich, bi re Tasse feinem Tee u mir gniesse die süesse schottische Goldtaler… Mache de nöii für Öich we Dir hei chömet. Gfahr vom ne Zahnusbiss bi aute Güetzi isch relativ gross… ;-)))
    Mir wünsche Öich witerhin nome ds Beschte uf Öier Reis.
    Knutschi-Putschi…
    Dominique & Familiy

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