Kanutour Big Salmon River (21.08. – 03.09.2012)

Kurz nach Mittag kehren wir zurück nach Whitehorse, die Hauptstadt des Yukon Territory mit rund 25’000 Einwohnern. Ihren Namen hat die Stadt von den weissen Schaumkronen der Strömung des Yukon Rivers erhalten. Sie erinnerten die Menschen an die Mähne eines Schimmels. (Whitehorse = Weisses Pferd).

Nach dem Bau des Staudamms und des Elektrizitätswerkes verlor die Strömung ihre Kraft und die Schaumkronen verschwanden.

Um den Lachsen den 3’600 Kilometer langen Weg von der Beringsee bis zu ihrer Brutstätte trotz Damm zu ermöglichen, baute die Stadt 1959 die längste Fischleiter (366m) der Welt. Jetzt, im August, sind die Chinook Lachse in Whitehorse und wir bewundern ein paar Prachtexemplare auf ihrem Weg durch die Leiter.

Für uns wird der Fluss auch bald zur „Heimat“ werden. Zusammen mit Werner, Esther und Beat wollen wir den Big Salmon River im Kanu erleben. Leider kann Eva nicht dabei sein. Es lässt sich für die Farm kein „House-sitter“ finden, der die Tiere hegt und zum Rechten schaut.

Die Vorbereitungen für eine 10-tägige Kanutour dürfen nicht unterschätzt werden, uns beschäftigt dies zwei Tage. Erst packen wir unseren privaten Kram wie Zelt, Matten, Schlafsäcke und Outdoor-Klamotten in drei wasserdichte Eimer. Das restliche Equipment wie Küchenutensilien oder Kanu stellt uns Beat zur Verfügung.

Der Lebensmitteleinkauf füllt zwei grosse Einkaufswagen. 5 Kilo Salami, 3 Kilo Käse, Teigwaren, Reis, Suppen, Schoggiriegel, Expedition Bread und vieles mehr werden zusammen mit dem Kochgeschirr in drei grosse wasserdichte Koffern gepackt.

Wir bringen für diese Zeit unseren Camper zu Fraserway damit unser Stromproblem endlich richtig gelöst werden kann. Unterschlupf finden wir in der mongolischen Jurte von Eva und Beat. Herrlich in dem grossen runden Zelt zu schlafen. Auch den Knüsse gefällt es und so fällt es ihnen leichter, weil wir sie für 10 Tage zurück lassen müssen.

Romano Schenk (durch Dia-Reportagen bekannt) bringt uns bis zum rund drei Stunden entfernten Quiet Lake, unserem Einstiegsort. Ich habe ein flaues Gefühl im Bauch, ob es an der Fahrt über die holprige Strasse oder eher an der Ungewissheit liegt?

Nieselregen empfängt uns aber immerhin hält der See was sein Name verspricht: Quiet = Ruhig. Zwölf Kilometer paddeln wir über den See bis wir den Ausfluss in den Big Salmon River erreichen. René lässt den Blinker während der Fahrt ins Wasser tauchen und fängt prompt zwei beachtliche Forellen.

Unser erstes Camp bauen wir bei Regen auf und wärmen uns mit warmer Suppe. Für Kanuten gibt es nichts schlimmeres als die Tour bei Regen zu starten. Unser Schlummertrunk (Whiskey oder Hot Chocolate mit Baileys) wärmt das Gemüt und hält uns bei guter Laune.

Strahlender Sonnenschein weckt uns und wir machen uns auf um den Sandy Lake und den Big Salmon Lake zu überqueren bevor endgültig die Flussfahrt beginnt. Der Wind weht uns entgegen und lässt uns hart arbeiten. Nach den ersten Meter im Fluss erreichen wir das Blockhaus von Franz Six. Der Österreicher hatte die Erlaubnis, das alte Native-Cabin (Native = Name für die kanadischen Ureinwohner) in Stand zu stellen und darin zu leben. Ein Jahr hat er im Haus verbracht bevor er 1993 im Alter von 40 Jahren bei einem Lawinenunglück in Österreich ums Leben kam.

Hier schlagen wir unsere Zelte auf. Die Stille fasziniert uns, erinnert uns aber auch daran, dass es ab morgen kein zurück mehr gibt. Der Fuss wartet auf uns mit all seinen Schönheiten aber auch Gefahren. Schon zu Beginn fordern uns zusammengetragene Baumstämme heraus. Als ungeübter Kanute kann ich nicht abschätzen wann wie zu Rudern ist. Dank René im Heck schaffen wir die Hürden bis uns ein riesiger Logjam (Blockade mit Baumstämmen) die Fahrt völlig versperrt. Per Lining (am Seil) bringen wir unser Kanu so nahe wie möglich an das Hindernis, danach wird alles ausgeladen, das Material und Kanu über das Hindernis getragen um neu eingeladen und verzurrt zu werden.

Insgesamt wollen wir 300 Kilometer Wasserweg bezwingen, vorstellen kann man es sich ein bisschen wie die Bahnen im Europapark. Ist der Fluss ruhig, erinnert es uns an die Piraten-Flossfahrt. Gemächlich zieht die Landschaft an uns vorbei. Die Natur ist hier unberührter denn je, kein Weg ausser dem Wasserweg führt hier hin. Weisskopfseeadler thronen auf Ästen, halten Ausschau nach Fischen und schnappen im richtigen Moment zu. Wölfe verschwinden scheu im Unterholz, Grizzly’s wollen den Fluss überqueren, Elche grasen im seichten Wasser und zwei Porcupine (Stachelschweine) turteln auf der Kiesbank. Während wir über das Wasser gleiten kämpfen sich Lachse gegen den Strom an ihre Laichplätze. Einige liegen bereits tot am Ufer und werden von Adlern und Raben verzehrt.

Das Wasser verändert sich, die Strömung wird stärker, Wasser spritzt ans Kanu, wir steigen um in die Wildwasserbahn. Jetzt kommen wir schneller vorwärts. Das Boot schaukelt. Immer schön das Ruder im Wasser halten, das gibt uns Stabilität.

Wir steigen in die Riverraftingbahn. Hier heisst es „Augen auf“, denn vor den Schaumkronen sitzen grosse Felsen die uns kentern wollen. Das kalte Wasser um uns grinst hämisch, will uns verschlingen und lässt keinen Fehler zu. Unser Kanu liegt tief im Wasser, schleift bei den Riffels (über abfallende Kiesbänke rauschendes Wasser) über den Kies und den Sweepers (schwingende Bäume) weichen wir aus. Wir müssen das Wasser lesen lernen, überall sitzt Gefahr. Zurück im stillen Wasser kämpfen wir uns langsam vorwärts. Die Arbeit ist hart, jeder Paddelschlag schmerzt, der Gegenwind lässt uns kaum vorwärts kommen und peitscht uns zeitweise den Regen ins Gesicht. Täglich Rudern wir zwischen 4 bis 7 Stunden. Die Rücken schmerzen, die Muskeln sind verspannt, die Kraft lässt nach.

Auf Kies- oder Sandbänken wird das Camp aufgestellt, Holz gesammelt auf dem Feuer gekocht. Das Essen füllt unsere Kraftreserven, die Kollegialität stärkt mental, das Lagerfeuer schenkt uns Wärme und Gemütlichkeit. Der Vollmond schenkt uns helle Nächte, bringt aber auch Frost, eine feine Eisschicht überzieht die Zelte, das Aufstehen fällt schwer, ist es im Schlafsack doch wohlig warm.

 

Das Wetter ist uns aber gut gesinnt, meist scheint die Sonne, wärmt die von der Anstrengung schmerzenden Glieder und lässt die Umgebung traumhaft erscheinen. Die Wildnis ist faszinierend, entschädigt für alles. Die monotonen Paddelschläge versetzten uns in eine Art Trance, gesprochen wird kaum, jeder hängt seinen Gedanken nach, geniesst die Stille. Einzig das Plätschern der Paddel ist zu hören. Einmalig ist dieses Gefühl, unbeschreiblich die Schönheit der Natur.

Zelten in der Wildnis ist ein besonderes Erlebnis, welches ein spartanisches Leben mit sich bringt. Die einzige Körperpflege ist das Zähneputzen, die Schaufel dient als Toilette, Ersatzwäsche ist für den Fall eines unfreiwilligen Bades gedacht.

Die Wildnis verlangt aber auch gewisse Vorsichtsmassnahmen. Die Küche ist von den Zelten entfernt, Lebensmittel sind nur hier erlaubt. Nichts was riecht und wilde Tiere anlocken könnte, darf in den Zelten gelagert werden. Beat ist für Notfälle mit einem Gewehr bewaffnet, alle tragen Bärspray auf sich. Spuren von Bären beweisen, dass sie überall sind. Unser Lagerfeuer brennt fast die ganze Nacht und schenkt uns Schutz. Aber auch wir wollen die Wildnis schützen. Ausser Fussspuren hinterlassen wir nichts. Abfall wird eingepackt, die Feuerstelle mit Sand zugedeckt.

Nach 240 Kilometern müdet der Big Salmon River in den Yukon River. Hier machen wir Rast an der Big Salmon Trading Post, einer Handelsstelle während des Goldrausches (mehr zum Goldrausch folgt in einem späteren Bericht). Die alten Cabins zerfallen langsam, werden nur noch von einer Art Erdhörnchen bewohnt.

Die letzten 60 Kilometer führen den Yukon River entlang. Die immense Grösse dieses Flusses, welcher dem Territory seinen Namen gab, ist Respekt einflössend. Majestätisch fliesst er vorbei an Cut banks (Steilhängen) mit sogenannten „Hoodoo“-Formationen. Nach den frostigen Nächten verfärbt sich die Landschaft langsam herbstlich.

Die Landung beim ersten Camp am Yukon River misslingt uns. Ein Eddy (Wiederwasser) bringt uns zum kippen. Zum Glück trocknet der Wind unsere Kleider schnell, das Feuer wärmt uns auf.

Wir lassen uns auf dem kraftvollen, schnell fliessenden Fluss treiben und kommen mit 12 km/h schnell vorwärts. Bald erreichen wir das Little Salmon Village unser Ausstiegsort. Romano wartet bereits auf uns und fährt uns zurück zur Mount Michie Farm.

Wir danken dem Fluss für seine Gutmütigkeit, dem Himmel für das meist trockene Wetter und der Wildnis für den Schutz vor wilden Tieren. Dankeschön an Beat für das perfekte „guiding“, Esther und Werner für die gemütlichen Stunden am Lagerfeuer. Und ein besonderer Dank an René, dem Pontonier, der mich sicher über den Fluss gesteuert hat.

Das Abenteuer Kanutour muss man einmal erlebt haben. Ob ich es nochmals machen würde? Das entscheide ich später, jetzt brauchen wir erst einmal eine warme Dusche.

 

2 Gedanken zu „Kanutour Big Salmon River (21.08. – 03.09.2012)

  1. Hallo Ihr Abenteurer, ganz schön kribbelig so eine Kanu-Tour, das hätte ich als Wasser scheues Huhn, glaub ich nie geschafft, ich bewundere Dich Monique immer mehr was Du alles mitmachst. Aber wie man sieht hast Du eine gute Stütze im Schlepptau.
    Aber es sind stets ganz romantische Bilder die schon etwas „gluschtig machen“.
    Wieder an Land wünschen wir Euch weiterhin viel Spass bis zum nächsten Bericht , auf den wir immer spannend warten und auch froh sind über ein Lebenszeichen von Euch beiden.
    Lb Grüsse R.und M. Attiswil

  2. hoi zäme dir zwöi kanu-driver
    da bini scho chlei niedisch weni die biuder mängisch so aluege. es si eifach wunderbari idrück wo die biudli vermittle und im dünkts dr rené sig scho e immer e trapper u jeger gsi!
    I fröie mi de sehr we dr de wider dehei sit, und die abendtür düet live verzöue. häbets no guet u gniesset jede tag.
    bis gli mau, und e liebe gruess mario & silvia

Schreibe einen Kommentar