Prince George bis Watson Lake (20.7. – 08.08.12)

Der Kreis unserer Rundreise schliesst sich in Prince George und wir fahren zurück auf den RV Park um zu erfahren, was mit den „schiessfreudigen“ Chinesen geschehen ist. Eine Waffe sei konfisziert worden, die Chinesen seien abgereist und sie, als Besitzer, hätten beschlossen, dass sie für solche Geschichten zu alt seien. Innert kürzester Zeit fanden sie einen Käufer und bereits in einem Monat werden sie mit 73 Jahren den wohlverdienten Ruhestand antreten und selber auf Reisen gehen.

Von „Prince“, wie die Stadt hier liebevoll genannt wird, ist es noch ein „Katzensprung“ bis zur Stellako Lodge. Trudi’s bunte Blumenpracht strahlt uns entgegen und Erwin steht bereits in der Küche um für uns und die anderen Gäste zu kochen. Unser Tipp: Wer in Fraser Lake vorbei fährt, sollte unbedingt bei der Stellako Lodge einkehren (mehr Infos sind bei uns erhältlich). Erwins Pfeffersteak ist das weltbeste und für uns hat er sogar eine knusprige Rösti dazu gebraten. Ein Prost auf eines der leckersten Abendessen unserer Reise!

Wir verbringen hier nochmals ein paar wunderschöne Tage mit der „Stellako-Lodge-Family“. Mit Harry’s Familie fahren wir ins Jagd-Camp. Harry hat dieses Grundstück gepachtet und hat die Lizenz, hier mit Touristen zu Jagen. Wir sind begeistert von diesem wunderschönen Flecken Erde. Die Männer und die Kids gehen Angeln, Nathalie geniesst ihr neues Kajak und ich lasse die Schönheiten der Natur auf mich wirken und finde interessante „Jagd-Rückstände“ wie Elchfuss oder verschiedene Geweihe.

Bei Kerry in der Stadt, lassen wir unseren Truck wieder auf Vordermann bringen. Nach insgesamt 10’000 Kilometern muss das Öl und der Ölfilter gewechselt und eines der Blinklichter ersetzt werden. Wir wissen, dass Kerry gute Arbeit leistet, denn vor zwei Monaten haben wir hier unsere neuen Reifen gekauft. Bei der Bezahlung wird René’s Kreditkarte als gesperrt zurück gewiesen. Zum Glück lässt sich das Problem mit nur einem Telefongespräch lösen. Es war reine Sicherheitsmassnahme der Bank. Selten benützt jemand die Karte über mehrere Monate aus der gleichen Feriendestination und sie glaubten an Schindluder.

Bewaffnet mit Kompass und Backroad Mapbook machen wir uns erneut auf den Weg in den Busch um unberührte Natur und einsame Campingplätze zu finden. Hier haben wir meistens nur Gesellschaft von den „frechen“ Whisky Jacks, die uns nicht nur Krümel, sondern ganze „Konfischnitten“ und sogar Speck aus der Pfanne stibitzen. Weisskopfseeadler segeln über unsere Köpfe, Spechte hämmern an hohle Bäume, während der Elch am Seeufer gemütlich Gras frisst.

Um solche Plätze zu erreichen, fahren wir meist auf „forest roads“, Strassen, die für den Holzschlag erbaut wurden. Das Strassenbild ändert sich aber sehr schnell und auch das neueste Mapbook kann unmöglich aktuell sein. Die Gefahr sich zu verfahren ist gross. Auch wir stehen an einer Kreuzung, unsicher welche Richtung wir nun einschlagen sollen. Nur mit Kompass, Spuren lesen und gesundem Menschenverstand finden wir nach zweimaligem Umdrehen den Weg hinaus aus dem Labyrinth.

Solche Irrfahrten können, vor allem im Winter, lebensgefährlich werden. Wir hören die Geschichte eines Ehepaars, welches eine Abkürzung nehmen wollte und „verloren“ ging. Während die Frau im Camper zurück blieb, machte sich der Mann auf den Weg um Hilfe zu holen. Sie hat 6 Wochen bei eisiger Kälte, ohne Lebensmittel überlebt. Er gilt noch heute als verschollen.

Wir lernen erst später ein wichtiges Detail: Jeder Kilometer dieser Strassen ist beschildert. Wird die Kilometerzahl grösser, fährt man tiefer in den Busch. Um also zurück auf eine befahrene Strasse oder in einen Ort zu gelangen sollten die Kilometerzahlen kleiner werden.

Die heissen Sommertage sind überstanden, die Temperaturen sind tagsüber mit 20-25°C sehr angenehm, die Nächte sind aber bereits wieder kühl. Das Wasser der Seen ist nachts noch wärmer als die Luft, es bildet sich Nebel der sich in der Morgensonne auflöst. Die mystischen Bilder die dabei entstehen sind atemberaubend.

In Smithers sind wir mit Bob Hayes, dem Autor des Buches „Wölfe im Yukon“ verabredet. Treffpunkt ist „Tim Hortons“. Diese Schnellimbisskette ist aus Kanada nicht weg zu denken und sie ist hier beliebter als „McDonalds“. Man sagt, dass sogar der Oberkommandierende der Nato „Burger King“ und „Pizza Hut“ aus dem afghanischen Hauptquartier verbannt hat und nur „Tim Hortons“ bleiben durfte.

Pünktlich erscheinen Bob und Caroline, seine Frau. Bob war zwanzig Jahre lang Wolfsbiologe an der Regierung des Yukon. Er hat die Wölfe mit Halsbandsendern ausgerüstet, erforscht und hat die ersten Versuche zur nichttödlichen Wolfskontrolle geleitet. Heute ist er freiberuflich tätig. Wir kennen die Hayes vom Kluane Mountain Bluegrass Festival, welches wir acht Mal in Haines Junction (Yukon) besuchten. Bob und Caroline haben dieses Festival gegründet und waren neun Jahre Präsidenten im Organisationskomitee. Irgendwann hat sich herum gesprochen, dass wir jährlich aus der Schweiz für dieses Festival anreisen. Bob hat uns von da an persönlich begrüsst, wir wurden auf der Bühne geehrt und seitdem haben wir den Kontakt zu den Beiden aufrecht erhalten.

Aus einem geplanten „Kaffeetratsch“ bei „Timi“ wird ein wunderschöner Tag. Eine Wanderung durch den Wald mit Bob ist sehr lehrreich und er erzählt uns viel aus seinem Leben als Wolfsbiologe. Ohne seinen besten Freund, Hund Charlie, geht Bob nicht mehr in den Busch. Charlie hat ihm das Leben gerettet, als er von einem Grizzly angegriffen wurde.

Bei einem gemütlichen BBQ (Grillabend) schwelgen wir zusammen in Festival-Erinnerungen und wir hören amüsante „Back-Stage-Geschichten“. Campieren dürfen wir vor dem Haus, das Badezimmer steht uns jederzeit zur Verfügung und morgens verwöhnen die beiden uns mit Waffeln und Blueberry’s (Heidelbeeren). Einmal mehr sind wir ob der Gastfreundschaft der Kanadier begeistert. Die Beiden versprechen uns, uns im nächsten Jahr in der Schweiz zu besuchen. Für Bob und Caroline steht unsere Tür jederzeit offen.

Wir halten uns südwestlich, überqueren den „Bear Pass“ und bewundern mehrere Gletscher, welche dieser Strasse den Namen „Glacier Highway“ geschenkt haben. Es giesst wie aus Kübeln, die Wolken hängen tief in den Felswänden, die Schluchten sind finster und kalt, der Fluss reissend. Wir beobachten, dass im Winter eine immense Lawine ins Tal gedonnert ist und tonnenschwere Felsbrocken hinunter gerollt, Bäume wie Zahnstocher aus dem Boden gerissen und die Strasse versperrt haben muss. Der Fluss hat den Schutt meterhoch durch die Schlucht gequetscht und an mehreren Stellen die Strasse und sogar die Hälfte einer Brücke weggerissen.

Die nur 699 Einwohner von Steward waren damals sicher mehrere Tage eingeschlossen und auf sich gestellt. Dieser Ort ist für uns enttäuschend: Die Mainstreet ist ausgestorben, die Gebäude verlottert, die meisten Geschäfte geschlossen. Das Lebensmittelgeschäft besitzt zwar eine riesige Ladenfläche, aber die Regale sind nur spärlich aufgefüllt. Als Reinfall entpuppt sich auch der RV Park. Die Laundry ist im Umbau und die Internetverbindung ist träge oder funktioniert gar nicht.

Den Umweg in diese Region haben wir vor allem wegen der Lachswanderung auf uns genommen. Im Nachbarort Hyder, einer Alaska-Enklave, die nur via Steward erreichbar ist, kann dieses Schauspiel beobachtet werden. Im Spätsommer wandern die 3-5 jährigen Lachse vom Ozean zurück an ihre Geburtsstätte um sich da fortzupflanzen und danach zu sterben. Wir sind erstaunt über die Brocken die sich kilometerweit gegen den Strom flussaufwärts kämpfen und jedem Risiko ausgesetzt sind. Für Bären, Adler und Wölfe sind diese Fische eine gefundenes Fressen um sich Fettreserven für den Winter anzulegen.

Der Cassiar Highway soll uns wieder in den „true north“, dem echten Norden, wie der Yukon auch genannt wird, bringen. Die Landschaft wird karger, die Tannen sind kleiner, die Temperaturen werden auf den Passhöhen kühler und meine Wärmeflasche wird bereits für zwei Nächte wieder in Betrieb genommen. Vor drei Monaten waren die Seen noch gefroren, jetzt spricht man schon vom ersten Schnee. Uns fesselt die Schönheit der Natur, die immer wieder mit neuen Fotosujets lockt.

Am 1. August passieren wir eine 50 km lange Baustelle. Eine Starkstromleitung soll der Strasse entlang gezogen werden und dazu wird eine riesige Schneise gerodet. Das Holz wird zu Haufen gestapelt, die uns an unsere August-Feuer erinnern.

An heiklen Stellen wird der Helikopter eingesetzt und solange dieser in der Luft arbeitet, ist die Strasse gesperrt. Wartezeiten von bis zu 45 Minuten sind normal. Die Zeit wird ausgenutzt um Öl zu kontrollieren, die Füsse zu vertreten und mit anderen Wartenden ein Gespräch zu führen. So kommt es, dass wir die 6-köpfige Familie Benninger aus Bern kennen lernen. (Kleine Anmerkung: Der Mädchenname meiner Mutter war Benninger!) Ein Fehler seitens Reisebüro zwingt die Grossgewachsenen, sich in ein zu kleines Fahrzeug zu quetschen und mehr als eine Woche ihres kurzen Urlaubs in dieser Sardinenbüchse auszuharren. Mit Ironie stellen wir fest, dass wir Schweizer es ja gewohnt sind, eng zu leben, verglichen mit den Weiten Kanadas.

René’s 63. Geburtstag feiern wir leider bei Regenwetter, aber mit Rahmschnitzel, einem Becher Wein und einem Muffin als Geburtstags-Kuchen. Happy Birthday! (Herzlichen Dank Euch allen für die Gratulationen. René hat sich sehr darüber gefreut.)

Wir geniessen die kleinen Seen und ihre Campingplätze. In British Columbia (BC) unterscheidet man zwischen „Recreation Site“ und „Provincal Park“. Die Provincal Parks besitzen meist über 40 Abstellplätze mit Tischen und Feuerstelle. Sie werden von Rangern gepflegt und es gibt überall eine Wasserstelle, Toiletten, Abfalleimer und Feuerholz. Die Übernachtung kostet zwischen 14 und 20 Dollar.

Die Recreation Sites werden nicht gewartet und sind somit kostenlos. Meist sind diese schwieriger zu erreichen und es gibt nur 2-10 Abstellplätze mit Tischen, Feuerstellen und Plumpsklo. Feuerholz muss selber im Wald gesägt werden und für die Abfallentsorgung ist jeder selber zuständig. Dies ist aber kein Problem, denn am Strassenrand stehen die „Litter Barrels“ (Abfalleimer) in regelmässigen Abständen für die Touristen bereit. BC ist ein wahres „Camper-Paradies“.

Wir ziehen wenn immer möglich, die Recreation Sites vor, denn meistens sind sie einsamer, so auch der Morchuea Lake. Wir kommen gerade von einer erfolglosen vierstündigen Angeltour zurück, als zwei junge Männer mit Kanu vorfahren. Das Gejohle, dass die Beiden bereits beim Einsteigen verursachen, lässt uns vermuten, dass sie weder kanu- noch angelerprobt sind, aber Spass scheinen sie zu haben. Wir geniessen den angenehmen Abend, denn seit langem zeigt sich wieder einmal die Sonne. Irgendwann lasse ich meinen Blick über den See schweifen und ich erkenne weit draussen das Kanu. Mir scheint, dass damit etwas nicht in Ordnung ist, aber von blossem Auge ist es nicht genau zu erkennen. René prüft mit dem Fernglas und dann geht alles sehr schnell. Wir packen unsere Schwimmwesten und die Paddel, rennen mit dem Kanu zum See und paddeln los. Die Jungs sind erleichtert, als sie uns sehen. Der eine, mit Rettungsweste, versucht zu schwimmen. Der andere, ohne Rettungsweste, sitzt im Kanu wie in einer Badewanne und kommt trotz paddeln nicht von Fleck. Im ersten Moment erscheint dieses Bild amüsant, aber wir wissen aus eigener Erfahrung wie dramatisch Kentern in den kalten Seen ausgehen kann. Wir binden das Kanu an unseres, der Schwimmer hält sich selber fest und vorsichtig versuchen wir die Karawane ans Ufer zu bringen. Nicht ganz einfach, denn das Gewicht bringt auch unser leichtes Faltkanu immer wieder in Schräglage. Erschöpft schaffen wir es. Die Jungs zittern vor Kälte und wir sind nicht sicher ob sie unter Einfluss von Alkohol stehen oder die Unterkühlung sie ein bisschen lallen lässt. Zum Glück haben sie trockene Kleider bei sich, wir helfen mit einem Handtuch aus und verpflegen sie mit Muffins. Wir haben das Gefühl, dass sie noch in der Lage sind, die 15 Minuten nach Hause zu fahren. Mit einem Hupkonzert und einem lauten „Thank you so much!“ verabschieden sie sich. Wir hoffen das Beste für die Beiden.

Die Fahrten über die vielen Schotterstrassen haben unserem Truck zugesetzt. Wir finden undichte Leitungen und Behälter, deren Flüssigkeitsstand unter dem Minimum ist. Wer hätte gedacht, dass wir uns auf dieser Reise zu Ford-Motor-Spezialisten entwickeln müssen. Während ich versuche das Handbuch zu übersetzten, versucht René das Gehörte auf den Motor zu übertragen.

Gemeinsam finden wir heraus, dass die Fehlermeldung „Clean Exhaust Filter“ im Zusammenhang mit dem Auspuff steht. Der verkrustete Schlamm scheint den Filter zu beeinträchtigen. Mit einer gründlichen Wäsche, sollten wir dieses Problem locker aus der Welt schaffen können.

Das „Power Steering Fluid“ (Servo-Lenkungs-Flüssigkeit) mussten wir bereits mehrmals auffüllen lassen. René fixierte eine lockere Schraubenmutter und seither scheinen wir diesen Defekt im Griff zu haben.

Grössere Sorgen macht uns das „Automatic Transmission Fluid“. (Automaten-Getriebe-Flüssigkeit) Die Leitung ist undicht und wir sollten unbedingt Flüssigkeit nachfüllen. Bei einer Tankstelle finden wir Fluid, bloss entspricht dies nicht der Produktspezifikation, welche von Ford verlangt wird. Ein Mechaniker findet sich auf dieser Strecke nicht. „Help yourself“ (Hilf dir selbst), ist die Devise und wir entscheiden, trotzdem von diesem Fluid aufzufüllen. Grosszügig übersehen wir den Abschnitt im Handbuch: „Bei Gebrauch von anderem Fluid, sind Schäden im Motor nicht auszuschliessen“. Wir hoffen, die 250 Kilometer bis Watson Lake heil zu überstehen und da einen kompetenten Mechaniker zu finden.

 

 

 

 

 

 

 

2 Gedanken zu „Prince George bis Watson Lake (20.7. – 08.08.12)

  1. Hallo Ihr zwei….ich hatte schon Angst um Euch weil man lange nichts mehr lesen konnte. Mit grosser Spannung verfolge ich Eure Tour, Fotos und die spannenden Berichte von Monique, einfach Super. Ich wünsche Euch noch weiterhin eine schöne und abenteuerliche Reise. Es grüsst Euch
    Monika Weidenbach

  2. Hallo Zäme
    Was ihr da alles erlebt ist wirklich so beindruckend dass man zum staunen nicht raus kommt.( ich hätte zwischendurch etwas ein mulmiges Gefühl , bei so viel Abenteuer bes. ich(R) als Wasserangsthase) viel Spass und lb Grüsse von R. und M. Gugelmann

Schreibe einen Kommentar