Mount Michie Farm bis Fraser Lake (11.05.-24.05.12)

Genug Vorräte sind eingekauft und verstaut, das Kanu ist zusammengebaut und auf dem Dach befestigt, wir sind ausgeschlafen und geduscht: Die Reise mit dem Camper kann los gehen.

 

Wir fahren Richtung Süden dem Alaska Highway entlang. Diese Strasse wurde während dem 2. Weltkrieg erbaut. Als die Japaner in den Aleuten landeten, befürchteten die Amerikaner eine Besetzung in Alaska und das Eindringen nach Amerika. Weil bis anhin keine Verbindung nach Alaska bestand, wurde innert 9 Monaten, mitten durch die Wildnis, eine 2’288 km lange Strasse gebaut. Unter diesen harten Bedingungen eine bauliche Meisterleistung. In der Hochsaison ist dies eine, von Touristen viel befahrene Strasse, im Moment treffen wir selten auf Gegenverkehr. Höchstens Alaskaner, die von ihrer Winterresidenz nach Hause fahren oder schwere Trucks, die an uns vorbei donnern und Lebensmittel in den Norden bringen. Gleichzeitig suchen die Tiere am Strassenrand nach Nahrung. Schon am ersten Tag „on the road“ begegnen wir Elchen, Karibus, Rebhühnern, Stachelschweinen, Hasen und Eichhörnchen. Nur der Bärenhunger von Meister Petz scheint noch nicht gross genug zu sein, um bei diesen Temperaturen die Nase aus der Höhle zu strecken.

Wir treffen in Johnsons Crossing ein, eine Tankstelle mit Hausbäckerei. Wir wissen, dass es hier die besten Saussage rolls (Wurstweggen) gibt. Wir haben Hunger und unser Truck Durst. Wir kommen mit dem netten Herrn an der Tankstelle ins Gespräch und es stellt sich schlussendlich heraus, dass er einer der Piloten im Buch „Wölfe im Yukon“ ist, welches wir auf dem Weg nach New York gelesen haben. Wir lassen ihn das Buch signieren und hoffen, dass wir unterwegs auch noch auf Bob Hayes, den Autor des Buches treffen werden.

Gegen Abend erreichen wir Watson Lake, die südlichste und mit rund 1’600 Einwohnern die zweit grösste Stadt im Yukon. Sie hat mit dem „Signpost Forest“ wohl die bekannteste Attraktion. 1942, während des Baus des Alaska Highways, schlug der Heimweh geplagte GI Carl Lindley eine Ortstafel seiner Heimatstadt in den Boden. Jährlich kamen neue Schilder dazu und heute sind es über 72’000 Ortstafeln aus der ganzen Welt.

Wir verlassen den Alaska Highway und biegen in den Cassiar Highway ein. Unser Navigationsgerät ist beinahe überfordert: Vorerst geht es gerade aus und erst nach 479 km werden wir links abbiegen müssen. (Vergleich: Fahrt von Solothurn bis Valance (Frankreich) ohne abzubiegen!)

Auf unserer Fahrt sind die Vegetation und das Wetter sehr wechselhaft und wir versüssen uns die Reisezeit mit Schoggi-Kaffebohnen. (@Anke: Herzlichen Dank, sie schmecken vorzüglich!) Schwarze Wolken ziehen auf, Regen und Hagel wechseln sich ab. Wir kämpfen uns durch Schneestürme, an gefrorenen Seen und weichen Schneedecken vorbei um später bei strahlendem Sonnenschein an Strassenrändern mit Rinnsalen von Schmelzwasser, zart lila farbigen Arctic Crocus und jungen Grasspitzen entlang zu fahren. Das saftige Grün lockt viele Tiere aus den Wäldern und wir begegnen nun auch regelmässig hungrigen Bären. (@Marco, es gibt sie also doch!)

Die Nächte sind noch eisig kalt. Die Knüsse sind sehr froh um ihre warmen Schlafsäcke. (@Erika: Vielen Dank für Deine Rekord-Strick-Arbeit!)

Trotz Mütze, Bettsocken und Wärmeflasche frieren wir unter den Decken. Nach vier Nächten dämmert es uns: Die Kälte kommt von unten. Bei Canadian Tire kaufen wir Isolier-Matten, die wir unter die Matratze schieben. In den folgenden Nächten schlafen wir an wohliger Wärme tief und fest, während sich draussen in unserem Wassereimer eine 1cm dicke Eisschicht bildet. Canadian Tire wurde vor rund 90 Jahren als Autowerkstatt gegründet und ist jetzt ein Milliardenkonzern, bei dem man alles für Haushalt, Freizeit, Auto, Werkstatt und Camping findet. Man sagt, dass 85% der Kanadier weniger als 15 Autominuten von einem Canadian-Tire-Laden entfernt leben und wir kommen auch nicht drum herum öfter in diesem Laden einzukaufen. Die meisten Gegenstände in unseren Camper haben wir von Canadian Tire (Made in China, versteht sich).

Die Zufahrten zu den Campingplätzen sind zum Teil noch sehr abenteuerlich, wir fahren über abgeknickte Äste, durch Schmelzwasser-Flüsse, tiefe Schlaglöcher und campieren in der Winterlandschaft, manchmal sogar mit „Freiluft-Toilette“.

Am Meziadin Lake treffen wir Moritz. Der junge Schweizer ist leidenschaftlicher Angler und wir beschliessen den folgenden Tag zusammen zu verbringen. Während die Männer mit dem Boot angeln gehen, setze ich mich mit einem Buch an die Sonne und lasse meine kalten Glieder wärmen. Mit einer beachtlichen Forelle kommen die Fischer gegen Abend zurück und bald brutzeln die Filets in der Pfanne.

Dienstag: René fährt schon Mal den Wagen vor und wir fahren durch einsame Wildnis. Ein krimineller Waldpfad bringt uns an den Derrick Lake. Das Hämmern eines Spechts dringt durch die unheimliche Stille. Die Tannen ächzen und stöhnen im Wind, das Geräusch erinnert an einen Elch mit Blähungen. Im Tiefkühlfach werden fünf Leichen entdeckt, alle filetiert. Dies ist eindeutig die Handschrift eines Massenmörders. Zwei Kommissare suchen nach Spuren und finden tatsächlich die Tatwaffe – ein übelriechendes Messer. Mit kräftigen Flügelschlägen nähert sich ein Zeuge, der den Mörder mit Argusaugen beobachtet hat. Der unheimliche Oberfischer hat zugeschlagen. Fünf Forellen haben gebissen und bald wird es ein Festessen geben.

Der Derrick Lake ist ein sehr idyllischer Platz und wir geniessen die Zeit in der einsamen Wildnis. Merci Rolli, dank Deinen Unterlagen und Karten, haben wir schon viele wunderschöne Plätze gefunden.

Donnerstag, 17. Mai, 21.45 Uhr, René spricht einen historischen Satz: „I ha chaut, jetz wird gheizt.“ Zum ersten Mal in meinen 10 Jahren Kanada-Camping-Erfahrung erlebe ich, dass im Camper die Heizung eingeschaltet wird. Ein wärmendes Wunder!

Und praktisch über Nacht ist er am Samstag da, der lang ersehnte Frühling. Die Temperaturen steigen bis zu 15°C, die Vögel beginnen zu zwitschern, die Insekten zu surren und wir können endlich draussen in der Natur sitzen. Herrlich, die Wärme der Sonne zu fühlen und mit dem Kanu über den See zu paddeln. Es ist das erste „long weekend“ für die Kanadier, was soviel bedeutet, dass alle ihre Campingsachen hervor kramen und irgendwohin an einen See fahren. Victoria Day sei dank, dass alle am Montag noch frei haben. Was an Victoria Day gefeiert wird? Das haben wir unsere Camping-Nachbarn gefragt, aber sie wissen es nicht. Trotzdem Grund genug um zusammen am Lagerfeuer zu sitzen und bis mitten in der Nacht über Gott und die Welt zu reden.

Der Frühling macht dem hartnäckigen Winter leider rasch wieder Platz und die Tage darauf sind wieder grau und nass. Die Nächte klar und frostig kalt. Trotzdem geniessen wir fast 14 Tage im Busch ohne Luxus oder Verbindung zur Aussenwelt.

Am Donnerstag 24. Mai parken wir kurz nach Mittag bei der Stellako Lodge in der Nähe von Fraser Lake. Hier leben Trudi und Erwin, die Elter unserer Freundin Corinne. Wir werden herzlich empfangen und uns scheint, als wäre heute eher der 24. Dezember, es fühlt sich an wie Weihnachten: Es gibt frisch gebackene Züpfe, wir werden von Erwin bekocht, stossen mit Rotwein an und nach zwei Wochen geniessen wir die erste warme Dusche.

4 Gedanken zu „Mount Michie Farm bis Fraser Lake (11.05.-24.05.12)

  1. hast du, rené, mein schallenes lachen gehört? was war wohl der grund dafür?
    „rené het chaut“ dieser kleine satz hat es ausgelöst. juhuiiiii monique endlich durftest du mal den luxus der heizung geniessen. und gäu rené „me wird haut äuter……“
    wir freuen uns auf weitere so spannende berichte. herzliche grüsse barbara und röbi

  2. Hallo Zusammen. Das tönt ja alles gut und wir lesen immer gespannt die neuesten Nachrichten von Euch. @René: das mit dem Sattel funktioniert gut und die ersten Ponto-Wettbewerbe sind absolviert. Gruss aus Wiedlisbach!

  3. Hallo Zusammen sind begeistert die Berichte zulesen
    Leider klappt es mit dem Velofahren nicht so richtig aber ich gebe mir ale mühe . Einen Lieben Gruss an beide Hausi und Brigitt

  4. Hallo zäme
    nachträglich wünschen wir dir Rene alles Liebe und Gute zum Geburtstag, Dass ihr noch viel Freude zusammen auf eurer Reise erlebt und gesund und munter wieder zurückkehrt . Geniesst es ,und noch viel viel schöne Momente.
    Gruss Haus und Brigitte

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