Von Le Havre nach New York (21.- 30.04.2012)

 

Gespannt wie eine Feder stehen wir an der Rezeption und warten auf das Taxi, das uns abholen soll. Bald werden wir die anderen Passagiere kennen lernen. Was für Typen sind das? Junge Packpacker, die das Abenteuer suchen? Amerikaner, auf der Heimreise? Individualisten mit Flugangst? Wir wissen es nicht und sind verblüfft, denn es sind Mutter und Tochter. Die 73jährige Genferin hat sich die Reise zum Geburtstag gewünscht und ihre Tochter, die promovierte Politologin, begleitet sie. Zusammen hatten wir eine tolle Zeit mit vielen interessanten Gesprächen.

Da steht sie nun also vor uns, die Hanjin Phoenix, eine stählerne Schönheit, gepackt mit rund 1’500 Containern und 21 Crewmitgliedern.

Herzlich werden wir empfangen und auf unsere Kammer gebracht um sogleich wieder für das Mittagessen abgeholt zu werden. Wider Erwarten begrüsst uns der Kapitän und zeigt uns schon am Nachmittag die Brücke. Wir fühlen uns sehr schnell aufgenommen und freuen uns auf die Zeit an Bord, auch wenn schlechtes Wetter vorausgesagt ist.

Und so kommt es auch, in der Biskaya packt uns der Sturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 8 Knoten, Wellenhöhen von 8-10m und lässt das Schiff, ächzen und stöhnen, rollen und stampfen (Schwanken tut ein Schiff nicht, lehrt uns der Kapitän). Wir sind überrascht, wie die Kräfte der Natur mit einem so grossen, schweren Schiff spielen, als wäre es eine Nussschale.

Wie befürchtet meldet sich auch die Seekrankheit. Monique bleibt vier Tage fast ausschliesslich im Bett, so lässt sich der Schwindel am ehesten dämmen und der Magen dreht sich nicht. René fühlt sich gut und trinkt mit dem deutschen Kapitän Bier, welches er sich aber später ein zweites Mal durchs Gesicht gehen lässt. Trotzdem wird es zur Tradition, dass es um halb Elf beim Kapitän ein Frühschoppen gibt. Er hat sich gefreut, Schweizer an Bord zu haben. Denn seine Crew besteht mehrheitlich aus Philippinos und Kiribatis und nur noch einem Deutschen.

Der Sturm legt sich und wir können ab Donnerstag (Seemannssonntag) zwei wunderschöne, sonnige Tage erleben. Ganz vorne beim Schiffsbug lassen wir uns nieder, die Sonne scheint uns ins Gesicht und lässt die Nasenspitzen röten. Der Wind zerzaust die Haare und die immense Grösse des Atlantiks lässt uns in Gedanken versinken. Es ist atemberaubend und die mitschwimmenden Delphine und Wale und der leuchtende Sonnenuntergang lassen unsere Herzen höher schlagen.

Den Maschinenraum dürfen wir erst bei ruhiger See besichtigen, mit Kopfhörern und Handschuhen bestückt erhalten wir einen bleibenden Eindruck was im Bauch der Hanjin Phoneix geschieht:

9 Zylinder stapfen tagein, tagaus und bringen die Schiffsschraube mit ihren 8,4m Durchmesser zum drehen. So schaffen wir eine Höchstgeschwindigkeit von 25 Knoten. Durchschnittsgeschwindigkeit liegt aber bei 18-20 Knoten. Gleichzeitig werden 4 Generatoren betrieben, die den Strom herstellen und die es ermöglichen, bis zu 300 Kühlcontainer laden zu können. Täglich werden 30’000 Liter Meerwasser zu Trinkwasser aufbereitet und die Abfälle werden verbrannt. Für die ganze Rundreise (Europa-USA-Europa) verbraucht das Schiff 1’800 Tonnen Treibstoff. Die Umweltvorschriften sind strenger geworden und die europäischen Häfen erlauben kein Schweröl mehr. Dies darf nur noch auf hoher See, weg vom Ufer verbrannt werden. Trotzdem klebt an unseren Handschuhen viel Russ.

Die Ostküste Amerikas empfängt uns mit zwei weiteren Tiefs und lässt uns nochmals zwei rüttelnde Tage an Bord erleben. Zu früh sei es für Landratten, den Atlantik im April zu überqueren, informiert uns der Kapitän schmunzelnd.

Statt Seekrankheit bricht nun das Saturday-Night-Fever aus und wir beteiligen uns am Karaoke der Philippinos. Zur Belustigung der Crew erreichen wir mit unserem Gesang die Topscores.

Der Sonntag wird noch einmal gebührend gefeiert: Mit einem Brandy Carlos Primero in der Kammer des Kapitäns und einem Stück Torte zum Nachmittagskaffee. Seeleute wissen, wie man es sich gut gehen lässt.

Der Höhepunkt der Reise war aber ganz sicher die Einfahrt in den Hafen Newark in New York. Bei strahlendem Sonnenschein geniessen wir den grandiosen Ausblick auf die Skyline und Ms. Liberty um dann vom gigantischen Hafen fasziniert zu werden. Die Stapler erinnern uns an emsige Ameisen die Legosteine (Container) hin und her schleppen. Hier ist alles ein bisschen grösser und schneller. Big Apple, ein weiteres Abenteuer wartet auf uns.

 

5 Gedanken zu „Von Le Havre nach New York (21.- 30.04.2012)

  1. Hallo ihr Lieben!
    Einfach nur toll 😉 ! Herzlichen Dank für den ersten Bericht. An manchen Stellen musste ich laut lachen!!!! René, nicht aus Schadenfreude 😉
    Ich freue mich und bin sehr gespannt auf weitere Berichte.
    Weiterhin viel Spass, Glück und Highlights!
    Liebi Grüss vor
    „Knüsse Fan(in)“ und Chuechebacherin!

  2. Dear Monique and René,
    it is with great interest that I red your sea journey rather bumpy!!! Your impression about the NY sky line made me remember when Mémé arrived by ship in NY way back in 1931 her reaction was the same as you had.–
    I left the Fribourg hospital on Tuesday and am now in Valmont Clinic for a 3 to 4 weeks rehabilitation. It is hard work for little progress !!!
    I wish you four a lovely trip and I look forward to read further info about your trip.
    Lots of love to share, Lisette

  3. Hoi mitenand, eifach super die Reisebericht. Äs isch scho ä chli längwilig ohni Veloimperium und am Morge am sächsi winkt mir ou niemer meh. Trotzdäm witerhin viel spass und alles Liebi uf Eurem witere Wäg. Erika und Bani

  4. Hallo ihr Lieben! Ich fange gerade an mich hier durch zu lesen und trotz eurer Erfahrung mit viel Seekrankheit und Stuermen gehoert eine Containerschiffreise jetzt zu meiner Bucketlist! Tolles Abenteuer, jetzt les ich schnell weiter wie es weitergeht 🙂
    Herzliche Gruesse, Sabrina (Calçotada Peña)

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